Testosteron bei Frauen: Funktionen und Ausgleich gesunder und ungesunder Werte
Oft wird Testosteron irrtümlich als „männliches“ Sexualhormon eingestuft, obwohl es auch im weiblichen Körper eine wichtige Funktion erfüllt. Es beeinflusst Libido, Energie, Stoffwechsel, Knochen- und Muskelgesundheit und kann bei Ungleichgewicht sowohl körperlich als auch psychisch unangenehme Symptome hervorrufen. Das Verständnis dieser komplexen Zusammenhänge hilft, Beschwerden gezielt einzuordnen und gegebenenfalls Maßnahmen zu ergreifen.
Das Wichtigste in Kürze
Viel mehr als ein „männliches“ Hormon – Testosteron ist auch bei Frauen essentiell für Libido, Muskeln, Stimmung und Knochengesundheit.
Produktion erfolgt in Ovarien, Nebennieren und peripher – rund 50 % entstehen über Umwandlung in Geweben, etwa 25 % in Ovarien und 25 % in Nebennieren.
Normwerte bei Frauen – etwa 15–70 ng/dL Gesamt-Testosteron.
Symptome bei Mangel: Libidoverlust, weniger Energie, Muskelabbau, Stimmungsschwankungen, Knochenschwäche.
Symptome bei Überschuss: Hirsutismus, Akne, Zyklusstörungen, Haarausfall, tiefere Stimme, PCOS-assoziierte Beschwerden.
Therapien bei unbalancierten Werten → meist off-label, etwa bei sexueller Dysfunktion in der Menopause; Risiken, Wirksamkeit und Langzeitsicherheit sind allerdings nicht umfassend geklärt.
Welche Funktionen hat Testosteron bei Frauen?
Testosteron steuert nicht nur die Umwandlung in Östrogen (Aromatasewirkung), sondern wirkt auch selbst auf viele Organe, darunter Knochen, Muskeln, Haut, Gehirn, Fettgewebe und Leber, über Androgenrezeptoren.
Testosteron erfüllt im weiblichen Körper eine Vielzahl wichtiger Funktionen, die weit über die Sexualität hinausgehen. Die Libido sowie die sexuelle Funktion profitieren davon. Bei postmenopausalen Menschen zeigte sich in Studien ein positiver Effekt. Darüber hinaus fördert es den Muskelaufbau, indem es die Proteinbiosynthese und das Muskelwachstum stimuliert, während es gleichzeitig die Bildung von Fettzellen (Adipozyten) hemmt.
Auch für die Knochengesundheit ist Testosteron von Bedeutung, da es den Knochenaufbau unterstützt und die Bildung roter Blutkörperchen (Erythropoese) anregt.
Nicht zuletzt wirkt es regulierend auf den Stoffwechsel, stärkt das Energielevel und trägt zur geistigen Klarheit sowie zu einem stabilen Stimmungsgleichgewicht bei.
Wie wird Testosteron bei Frauen gebildet und gemessen?
Die Testosteronproduktion bei Frauen erfolgt auf komplexe Weise und unterliegt verschiedenen regulatorischen Mechanismen. Etwa 50 Prozent des zirkulierenden Testosterons bei prämenopausalen Frauen entsteht durch die Umwandlung der Vorstufen Androstendion und DHEA in peripheren Geweben.
Die übrigen Anteile entfallen zu je etwa 25 Prozent auf die Ovarien und die Nebennierenrinde. Mit dem Eintritt in die Menopause und der damit verbundenen nachlassenden Funktion der Eierstöcke sinken sowohl der Testosteron- als auch die Estradiolspiegel, was unter anderem zu Beschwerden wie einer verminderten Knochendichte führen kann.
Zur Einschätzung des Hormonstatus werden unter anderem das Gesamt-Testosteron und der freie Androgenindex (FAI) gemessen. Der normale Referenzbereich für das Gesamt-Testosteron bei Frauen liegt bei etwa 15 bis 70 ng/dL. Der freie Androgenindex, der das Verhältnis von Gesamt-Testosteron zum Sexualhormon-bindenden Globulin (SHBG) beschreibt, bewegt sich bei Frauen typischerweise im Bereich von 7 bis 10.
Für eine aussagekräftige Diagnostik sollte die Blutentnahme möglichst morgens zwischen 7 und 10 Uhr erfolgen. Bei Frauen mit regelmäßigem Zyklus empfiehlt sich der 3. bis 5. Zyklustag als idealer Zeitpunkt der Messung.
Symptome & Ursachen im Detail
Symptome bei Testosteronmangel
Körperlich: Libidoverlust, Müdigkeit, Muskelschwäche, Osteoporoserisiko, trockene Scheide, Zyklusstörungen.
Psychisch: Antriebslosigkeit, Stimmungsschwankungen, Konzentrationsprobleme.
Ursachen können sein:
natürlicher Rückgang mit Alter, insbesondere Menopause
Oophorektomie (Entfernung der Eierstöcke)
Nebennierenerkrankungen oder multifaktorielle Ursachen
unspezifische Symptome, oft übersehen oder fehlgedeutet.
Symptome bei erhöhtem Testosteron
Typische Anzeichen: Hirsutismus (besonders im Gesicht, Brust, Bauch), Akne, fettige Haut, androgenetischer Haarausfall, Zyklusunregelmäßigkeiten, Amenorrhö.
Weitere Folgen: Infertilität, metabolische Störungen wie Insulinresistenz, Dyslipidämie, Adipositas, Bluthochdruck.
Mögliche Ursachen:
Polyzystisches Ovarialsyndrom (PCOS)
Nebennieren- oder Ovarialtumoren, selten Cushing-Syndrom, angeborene Nebennierenhyperplasie.
Therapie und Behandlungsmöglichkeiten
Testosteronmangel
Zahlreiche Metaanalysen belegen, dass die Gabe von Testosteron das sexuelle Wohlbefinden postmenopausaler Frauen signifikant verbessern kann. Besonders effektiv scheinen dabei nicht-orale Applikationsformen wie transdermale Gele oder Pflaster zu sein, da sie den Hormonspiegel physiologischer regulieren.
Internationale Leitlinien empfehlen eine Testosterontherapie nur für Personen mit hypoaktivem sexuellem Verlangen (HSDD), sofern die Werte im physiologischen Bereich liegen. Idealerweise erfolgt die Gabe als Ergänzung zu einer bestehenden Hormonersatztherapie (HRT), wobei die transdermale Verabreichung bevorzugt wird.
Die Wirkung tritt in der Regel nach etwa 8 bis 12 Wochen ein, spätestens aber bis zur 16. Woche. Sollte sich innerhalb von sechs Monaten keine spürbare Besserung einstellen, wird ein Abbruch der Therapie empfohlen.
Hinsichtlich der langfristigen Sicherheit bestehen derzeit noch Wissenslücken. Zu den potenziellen Risiken zählen kardiovaskuläre Komplikationen, ein erhöhtes Brustkrebsrisiko sowie unerwünschte virilisierende Effekte wie tiefer werdende Stimme oder vermehrter Haarwuchs. Da bislang keine zugelassenen Präparate speziell für Frauen existieren, erfolgt die Anwendung in der Regel off-label – also außerhalb der regulären Zulassung.
Testosteronüberschuss
Bei einem Testosteronüberschuss bei Frauen ist es entscheidend, die zugrunde liegende Ursache gezielt zu behandeln. Häufig liegen dem erhöhten Hormonspiegel Erkrankungen wie das Polyzystische Ovarialsyndrom (PCOS), hormonelle Dysbalancen oder selten auch Tumorerkrankungen der Nebennieren oder Ovarien zugrunde. Eine sorgfältige Diagnostik durch Fachärztinnen und Fachärzte ist daher unerlässlich.
Je nach individueller Ursache kommen verschiedene medikamentöse Behandlungsoptionen infrage. Dazu zählen hormonelle Kontrazeptiva zur Regulierung des Zyklus, Spironolacton zur Hemmung der Androgenwirkung, Metformin bei gleichzeitig bestehender Insulinresistenz sowie gegebenenfalls niedrig dosierte Glukokortikoide.
Die Auswahl und Dosierung dieser Medikamente sollten stets unter ärztlicher Aufsicht erfolgen.
Zusätzlich kann eine gezielte Anpassung des Lebensstils unterstützend wirken. Eine ausgewogene, vorzugsweise kohlenhydratbewusste Ernährung, regelmäßige körperliche Aktivität und, bei Übergewicht, eine gesunde Gewichtsreduktion können erhöhte Testosteronspiegel, insbesondere bei PCOS, senken und den Stoffwechsel insgesamt stabilisieren.
Fazit
Testosteron ist für Frauen weit mehr als ein „männliches“ Hormon. Es ist unverzichtbar für die sexuelle, körperliche und psychische Gesundheit. Sowohl Mangel als auch Überschuss können relevante Beschwerden verursachen, von Libidoverlust und Muskelschwäche bis zu Akne, Hirsutismus oder Zyklusstörungen. Eine genaue Diagnostik ist essenziell.
Die therapeutische Anwendung von Testosteron ist nur in klar definierten Fällen, z. B. bei HSDD nach der Menopause, und unter strenger ärztlicher Begleitung empfohlen, wobei stets Wirkdauer und potenzielle Risiken im Blick bleiben. Eine Behandlung des erhöhten Testosteronspiegels muss immer die zugrunde liegende Ursache berücksichtigen, weil eine rein symptomatische Therapie meist zu kurz greift.
Bei Beschwerden oder Verdacht auf hormonelle Dysbalance sollten Sie einen spezialisierten Gynäkologen oder Endokrinologen konsultieren.
Redaktioneller Hinweis: Dieser Artikel dient ausschließlich zu Informationszwecken und ersetzt keine medizinische Beratung. Bitte konsultieren Sie Ihre Ärztin oder Ihren Arzt, bevor Sie Änderungen an Ihrem Lebensstil oder Ihrer Medikation vornehmen.